Bislang haben wir angenommen: die Kakteentradition in der Familie Haage begann 1822 als Friedrich Adolph Haage eine Königin der Nacht vom königlich sächsischen Hof nach Erfurt brachte und eine eigene Gärtnerei gründete.
In einem der raren Kataloge dessen Ur… großvaters Johann Nikolaus Haage fand ich im Frühjahr 2009 in der Lindley Library in London ein ansehnliches Sortiment von Kakteen. Damit müssen wir unsere bisherige Geschichtsschreibung revidieren, denn unsere gärtnerische Tradition hat ihre Wurzeln heute nachweislich schon im Jahre 1660. Die bisher als gravierend betrachtete Unterbrechung im Generationswechsel von Haage (6. auf Haage 7??)… darf man mit Fug und Recht auf den wirtschaftlichen Wechsel reduzieren, denn das gärtnererische Erbe hat Friedrich Adolph sehr wohl von seinem Vater übernommen.
In der Allgemeinen Gartenzeitung No. 4 aus dem Jahre 1837 findet sich auf Seite 27 bis 31 eine wunderbare Reisebeschreibung von Friedrich Eduard Lucas1 die mit den Worten beginnt:
Mein Principal, der Kunst- und Handelsgärtner, Hr. Friedrich Adolph Haage jun. beauftragte mich in der Mitte des September eine Reise in die Salzburger Alpen zu unternehmen, um die dort vorkommenden Alpenpflanzen in lebenden Exemplaren sowohl, wie auch die sich vorfindenden Samen zu sammeln und zur Bepflanzung der in seinem Garten gegründeten Felsenanlagen hierher zu senden …
Lucas macht auf seiner Reise unterwegs Station in verschiedenen „comerciellen“, botanischen und privaten Gärten. So ist er begeistert vom Botanischen Garten zu München und findet dort bemerkenswerte Pflanzen wie Chamaerops hystrix, Sabal blackburnina, Phoenix leonensis, Brahea duleis, Thrinax pumila, Corypha frigida und Chamaedorea elegans. Als imposant bezeichnet er im Sukkulentenhaus Fourcroya rigida, Agave karwinskii, Yucca acrotricha und Yucca angustifolia. Die Kakteensammlung ist in seinen Augen „unstreitig eine der ersten Deutschlands“. Er findet Mammillaria uberifomis, M. uncinata, supertexta, dyckiana, seitziana2, hystrix, polythele, longimamma, Echinocactus cornigerus, pfeifferi, ingens, Cereus senilis – und eine schöne Euphorbia bupleurifolia.
Von Salzburg kraxelt er zwei Wochen voller Begeisterung in den Alpen umher und sammelt zahlreiche Pflanzen und Samen, die er mehrfach nach Erfurt schickt.
Seine Rückreise nutzt er, um noch weitere Gärten zu besuchen. In Regensburg ist es der Hof garten des Fürsten von Turn3 und Taxis, etwas weiter, in Pruiflingen entdeckt er in einer nicht näher Bezeichneten „ansehnlichen Gärtnerei“ eine blühende Agave lurida:
Der Blütenschaft war 16 Fuß hoch und trug auf 10-12 armförmigen Blüthenstengeln 1246 Blüthen und Knospen. Dieselben waren von schmutziggrüner Farbe, von ihrer Anheftung bis zum Antheren 7 Zoll lang und aufrecht stehend.
Er schließt seinen spannenden Bericht:
Von dort wanderte ich meiner Heimath wieder zu und kam nach 7wöchiger Abwesenheit glücklich wieder in Erfurt an.
Die gesund eingetroffenen Alpenpflanzen sind nun hier auf schmale gegen N.O. gelegene Beete in eine ähnliche schwarze Erde gepflanzt, welche aus ganz verotteter Torferde mit Heideerde und Sand vermischt, besteht. Um diejenigen Pflanzenm die auf felsigen Boden gewachsen, wurden in geringer Entfernung Steine gelegt, welche, sobald sie von den Wurzeln erreicht, den Pflanzen noch etwas ihres natürlichen Standortes wiedergeben und wird nun dem fröhlichen Gedeihen dieser Alpenbewohner verlangend entgegen gesehen.
Erlaabtes un Erluuschtes. Kunterbointe Geschichten us unser ahlen Schtaadt Müllhusen – Ein Büchlein in original thüringer Mundart – nicht für jedermann verständlich, in meinem Falle aber höchst erbaulich… und: geschrieben von Karl Haage aus Mühlhausen, nicht weit von hier – und dennoch kenne ich bislang noch keine familiäre Verbindung dorthin*. Karl Haage gilt vor allem in Mühlhausen als lokal sehr bedeutender Mundartdichter.
Bibliographische Informationen:
Titel: Erlaabtes un Erluuschtes. Kunterbointe Geschichten us unser ahlen Schtaadt Müllhusen
Hochdeutsch: Erlebtes und Erlauschtes. Kunterbunte Geschichten aus unserer alten Stadt Mühlhausen (Thüringen)
Autor: Haage, Karl
Format: 13X19cm, erschienen im Selbstverlag
Nachtrag: * Th. Rümpler schreibt ca. 1882 zu Haage und Mühlhausen:
Einer anderen Linie der selben Familie (Haage) gehören zwei Gärtner an, von denen Christian (Haage) in Mühlhausen sich ein Arbeitsgebiet geschaffen hat.
Im cactusblog gab es einen neuen Haage-Kontakt aus dem Norden Deutschlands.
Christian Haage aus der Baumschulregion Pinneberg hat sich in einem Kommentar
mit einer kurzen Information über seine Herkunft gemeldet. Schön, wenn immer mehr Haages auftauchen.
Hier ein kleiner Ausschnitt aus der Stammtafel der Haages aus Württemberg. Bisher gabe es zwar schon sehr freundliche Kontakte, aber bislang konnten wir noch keine Verbindung zu unserem Zweig der Haages hier in Erfurt nachweisen. Dafür stammt von dort aber ein Hinweis auf mit uns verwandte Haages in Frankreich 🙂
Ein technischer Hinweis:
haage.org ist im Moment noch von den Suchmaschinen verborgen, bis die Seite ein wenig an Umfang gewonnen hat.